„Zeige mir Istanbul durch einen Spiegel“: Wie ein Kölner Fotograf 1995 den Blick der Stadtbewohner einfing
Als das Kulturamt Köln den Fotografen Philipp J. Bösel 1995 nach Istanbul entsandte, um ein künstlerisches Projekt in der türkischen Metropole zu realisieren, konnte niemand ahnen, dass daraus eine der ungewöhnlichsten fotografischen Stadtbeobachtungen jener Zeit entstehen würde.
Bösel, für den es der erste Aufenthalt in Istanbul war, entschied sich gegen den klassischen dokumentarischen Blick eines Besuchers – und für eine Perspektive, die ihm nur die Einheimischen eröffnen konnten.
Sein Ansatz war so einfach wie radikal:
Die Bewohner Istanbuls sollten ihre Stadt selbst zeigen – durch einen Handspiegel.
Mit einer Leica M6 und einem 21mm Elmarit im Gepäck ließ Bösel die Menschen entscheiden, welchen Teil ihrer Umgebung sie in den Spiegel halten. Das Ergebnis sind Fotografien, die zugleich Porträt, Stadtansicht und Kommentar sind. Die Spiegel reflektieren nicht nur Straßenszenen, Gebäude oder Details des urbanen Lebens, sondern auch die persönliche Beziehung der Menschen zu ihrer Stadt.
Das Projekt offenbart Istanbul aus einer ungewöhnlichen Doppelperspektive: Im Vordergrund die Menschen, die den Spiegel halten; im Reflex das, was sie zeigen wollen – oder vielleicht sogar das, was sie über sich selbst erzählen möchten.
So entsteht ein visuelles Protokoll, das weniger den fotografischen Blick Bösels dokumentiert, sondern vielmehr die Vielfalt der individuellen Wahrnehmungen in einer Stadt im Wandel.
„Zeige mir Istanbul durch einen Spiegel“ bleibt damit ein seltenes Beispiel dafür, wie Fotografie nicht nur beobachtet, sondern vermittelt – und wie eine Metropole durch die Augen ihrer Bewohner ein vielschichtiges, lebendiges Gesicht erhält.
…letzte Ausstellung in der IHK 2015
photos © philipp j. bösel











